Historische Kupferrolle aus altem Feuerwehrhaus geborgen
Der älteste Teil des früheren Feuerwehrhauses der Freiwilligen Feuerwehr Norden in der Klosterstraße existiert nicht mehr. Ein Abbruchunternehmen hat die Fahrzeughalle mit dem darüber befindlichen Saal und weiteren Räumen in den letzten Wochen mit einem Bagger dem Erdboden gleichgemacht. Auch der kleine Schlauchturm fiel dem Presslufthammer zum Opfer. Das Gebäude stand nach dem Umzug der Feuerwehr ins Hilfeleistungszentrum an der Osterstraße im Jahr 2009 überwiegend leer. Lediglich die drei Stellplätze der Halle wurden als Unterstellmöglichkeit genutzt. Das gesamte Gelände wechselte aus städtischer Hand in den Besitz des Landkreises Aurich. Eine weitere Fahrzeughalle sowie die frühere Feuerwehrtechnische Zentrale wurden vom Landkreis Aurich unter anderem für die Conerus-Schule modernisiert. Das alte Feuerwehrgebäude aus dem Jahr 1937 war jedoch nicht mehr nutzbar und musste weichen. Auch wenn die Norder Wehr das Gebäude nun schon neun Jahre nicht mehr nutzte, blickten die Kameradinnen und Kameraden immer mal wieder mit Wehmut auf das Gebäude und schwelgten dann in Erinnerungen. Als nun der Bagger anrückte, verbreitete sich die Nachricht darüber in den Reihen der Wehr schnell. Besonders Archivar Erich Weege wurde hellhörig und suchte im riesigen Fundus des Feuerwehrarchivs nach Dokumenten der Zeitgeschichte zu dem Gebäude. Dabei stieß er auch auf Fotos von der Grundsteinlegung. Die Bilder sind auf den 6. Juni 1937 datiert. An diesem Tag fand die Grundsteinlegung im Rahmen der vierten ordentlichen Mitgliederversammlung des Kreisfeuerwehrverbandes Norden statt.
Die vier bis dahin im Stadtgebiet existierenden Spritzenhäuser (am Glockenturm, am neuen Rathaus, am Norder Hafen und im Bereich Osterstraße/Kleine Mühlenstraße) sollten nach Fertigstellung des Neubaus aufgelöst und die Norder Wehr an einem Standort zentralisiert werden. Weiterhin sollte die Kreisschlauchpflegerei des Kreisfeuerwehrverbandes Norden, der Vorgänger der Feuerwehrtechnischen Zentrale, des damaligen Landkreises Norden in den Neubau einziehen und dort die Schlauchpflege aller Feuerwehren im Landkreis übernehmen. Auch eine Wärterwohnung war Bestandteil des Bauvorhabens. Nach rundweg nur einem halben Jahr Bauzeit war das Gebäude fertiggestellt und konnte im November offiziell seiner Bestimmung übergeben werden. Die Feuerwehr Norden verfügte damals über vier Kraftwagen sowie vier Tragkraftspritzen vom Typ TS 8/8.
Während des Zweiten Weltkriegs erhielt die Norder Wehr (um 1943) sechs sogenannte Leichte Löschfahrzeuge (LLG),die der Feuerlöschpolizei unterstanden.
Im Jahr 1959 wurden auf dem Innenhof des Feuerwehrgeländes vier weitere Fahrzeugstellplätze in einer Halle errichtet. Da der Fuhrpark immer weiter wuchs, war die Erweiterung zwingend notwendig geworden. Inzwischen zählten schließlich auch eine Drehleiter (DL 22),ein Tanklöschfahrzeug (TLF 16-T) und sechs Löschgruppenfahrzeuge (LF 8) zum Norder Bestand.
Am 10. Dezember 1974 erfolgte die Grundsteinlegung für die Feuerwehrtechnische Zentrale (FTZ) Norden ebenfalls auf dem Feuerwehrareal in der Klosterstraße. Nach der niedersächsischen Kreisreform wurden die Kreise Norden und Aurich 1977 zum Landkreis Aurich fusioniert.
Die Gebäude wurden mehrere Jahrzehnte zweckmäßig genutzt. Die FTZ Norden zog am 20. Juni 2007 mit der FTZ Aurich unter ein gemeinsames Dach ins Gewerbegebiet Georgsheil. Die freigewordenen Gebäude wurden von der Stadt Norden erworben und der Nutzung der Feuerwehr übergeben. Am 31. März 2009 hielt die Norder Wehr ihren letzten Dienstabend in der Klosterstraße ab, ehe sie gemeinsam mit dem Technischen Hilfswerk (THW) in das moderne Hilfeleistungszentrum umzog.
2018 schlug dann die letzte Stunde für das Hallengebäude sowie den Schlauchturm an der Klosterstraße. Der Landkreis Aurich hatte das gesamte Grundstück mit allen Gebäuden erworben und für eine neue Nutzung durch die Berufsschule und andere Einrichtungen des Landkreises gekauft. Da für die 1937 errichteten Gebäude keine Verwendung vorhanden war, mussten sie weichen. Das Abbruchunternehmen Jan Ennen rückte im Sommer 2018 mit einem Bagger an und begann mit dem Abriss. Jan Ennen selbst und Erich Weege standen während des Abrisses im engen Kontakt und tauschten sich regelmäßig aus. Anhand der im Archiv gefunden Fotos konnte die Position der Zeitkapsel auf zwei Stellen eingegrenzt werden. An diesen Stellen arbeitete der 22-Tonnen-Bagger besonders vorsichtig. Am 20. September überbrachte Jan Ennen Erich Weege die frohe Botschaft, dass die Kupferrolle geborgen wurde. Zwar erlitt sie beim Bergen leichte Beschädigungen, aber das trübte die Freude kaum.
Der Landkreis Aurich, als Besitzer des abgebrochenen Gebäudes, wurde darauf kontaktiert und gab der Norder Wehr offiziell die Erlaubnis, die historische Rolle in ihren Besitz zu nehmen. Alle Beteiligten waren brennend daran interessiert, was 1937 in der Zeitkapsel eingelagert wurde. Erich Weege nahm Kontakt zur Klempnerei von Gerhard Kleen auf. Sein Betriebsgebäude grenzt direkt an das ehemalige Feuerwehrgrundstück und sein Urgroßvater (er hieß auch Gerhard Kleen) hatte die Kupferrolle damals gebördelt, ehe sie damals in das Fundament einbetoniert wurde. Seine Unterschrift ist auch auf der Urkunde der Grundsteinlegung zu finden.
Sofort sicherte Gerhard Kleen seine und die Unterstützung seiner Mitarbeiter zu. Am 25. Oktober war der große Tag der Öffnung gekommen. Erich Weege, Jan Ennen und Gerhard Kleen hatten sich nachmittags in der Klempnerei verabredet. Die Mitarbeiter des Handwerksbetriebs und ehemalige Norder Feuerwehrleute Jürgen Uhlenkamp und Helmut Bork waren ebenfalls von der Neugier infiziert worden und standen mit Werkzeug parat. Auch für den Auszubildenden Avgin Yalcin war dies ein besonderes Ereignis. Mit einem Minischleifer setzte Bork zum ersten Schnitt an. Langsam fraß sich die Trennscheibe durch das alte Kupferblech. Nach wenigen Zentimetern war die erste Scheibe verschlissen und musste erneuert werden. Dieses Spielchen wiederholte sich mehrere Male und machte das Vorhaben zur Geduldsprobe. Der Einsatz eines größeren Winkelschleifers schien wegen der Hitzeentwicklung zu gefährlich. Das Risiko, dass die Dokumente in Brand geraten, wollte niemand eingehen. Zwischendurch konnte die Rolle ein Stück aufgebogen werden, jedoch saßen die Dokumente durch die Deformierung stramm in der Rolle fest. Eines war jedoch schnell zu erkennen, die Papiere waren sehr gut erhalten und lesbar. Auf einer der Zeitungen war ein Teil der Überschrift „Das neue Feuerwehrgebäude in Norden“ zu lesen. Die Freude bei allen Anwesenden wuchs immer weiter. Nach rund eineinhalb Stunden und vielen vergossenen Schweißperlen war es dann endlich geschafft. Die Rolle war geöffnet und die Papiere konnten entnommen werden. Sie waren alle leserlich und kaum versehrt. Lediglich ein paar Schäden durch den Abriss sowie das Auftrennen waren entstanden. In einer versiegelten Glasflasche lagerte die Urkunde der Grundsteinlegung. Darin wird der Zweck des Baus erläutert und darauf hingewiesen, dass er „unter der genialen Führung des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler … entstanden ist.“ Vorder- und Rückseite sind von Unterschriften zahlreicher Politiker, Führungskräften der Feuerwehren sowie Ehrengästen geziert. Neben der historisch wertvollen Urkunde waren die Brandordnung für die Stadt Norden von 1783, das Exerzierreglement für die Feuerwehr Norden von 1887, die Satzungen der Norder Wehr von 1907 und 1934, die Entwicklungsgeschichte der Feuerwehr Norden, eine Dienstanweisung von 1934 des Kreisfeuerwehrführers Norden, ein Tätigkeitsbericht des Kreisfeuerwehrverbandes Norden für das Geschäftsjahr 1936/37, zwei Norder Zeitungen mit Bildern und Berichten zum Neubau sowie eine Bekleidungsverordnung von 1934 in der Kapsel eingeschlossen.
All diese Dokumente der Zeitgeschichte wurden von Erich Weege in das Archiv der Norder Feuerwehr aufgenommen und stellen eine enorme Bereicherung von unschätzbarem Wert dar. Schließlich geben sie, wie in der Urkunde erwähnt, „… der Nachwelt Aufschluss über die Entwicklung des Feuerlöschwesens in der Stadt Norden…“. Zukünftig sollen die geöffnete Rolle sowie die Dokumenten mit weiteren Bildern im Museum des Hilfeleistungszentrums ausgestellt werden.