Deichverteidigung realistisch geübt
„Das war eine hammerharte Übung“, resümierte Deichrichter Dirk Ackermann am Dienstabend beim Abschluss einer gemeinsamen Übung von Feuerwehr, THW und Deichacht in Norden. Das Wetter war an dem Abend mit kräftigen Windböen und Regenschauern alles andere als schön, aber im Falle einer echten Deichverteidigung wäre es sicher noch viel schlechter. Für die Einsatzkräfte ging es an dem Abend um den Aufbau einer sogenannten Quellkade an einer Schadstelle auf dem Deich in Ostermarsch. Punktuell sollte dort bei einer angenommenen Sturmflut mit drei Metern über dem mittleren Tidehochwasser Seewasser mittig durch den Deich drücken und das Küstenschutzbauwerk allmählich ausspülen. Ohne die Sicherungsmaßnahme würde ein Deichbruch drohen.
Nach der Überflutung des Großen Meers in Südbrookmerland vergangenen Jahres kam die Deichverteidigungshalle der Deichacht Norden erstmalig zum Einsatz. Gemeinsam mit Vertragspartnern der Norder Deichacht haben die Norder Feuerwehr, das Technische Hilfswerk und die Mitarbeiter der Deichacht damals tausende Sandsäcke gefüllt und zum Großen Meer transportiert. Seitdem tauschen sich die Norder Einsatzkräfte regelmäßig mit der Deichacht aus und entwickeln ein gemeinsames Einsatzkonzept. In kleinen Einheiten wurden seitdem verschiedene Aufgaben beübt und Abläufe verbessert. Nachdem die Abläufe in der Deichverteidigungshalle nun rund laufen, ging es am Dienstag um die Logistik an der Schadensstelle sowie das Ausleuchten der Arbeitsbereiche. Die Deichacht hat entsprechend ihrer Deichkilometer einen Einsatzplan erstellt, der unter anderem Straßensperren und Einbahnstraßenregelungen entlang der Straßen am und zum Deich vorsehen. Durch die genaue Planung wird sichergestellt, dass schwere Fahrzeuge das erforderliche Material und zahlreiche Helfer ungehindert zur Einsatzstelle bringen können. Würden sich zwei Fahrzeuge auf der schmalen einspurigen Straße begegnen, dann wäre die Straße blockiert und die Arbeiten geraten ins Stocken. Oberdeichrichter Carl Noosten hatte die Pläne und den Ablauf vor Übungsbeginn am Hilfeleistungszentrum vorgestellt. Er hatte die Übung mit seinen Mitarbeitern um Holger Fisser sowie Frank Stigler und Reinhold Gleissner von der Norder Feuerwehr sowie Bernd Frerichs vom Ortsverband Norden des THW ausgearbeitet.
Schnell wurde alle Beteiligten am Dienstag klar, wie personalintensiv eine Deichverteidigung an einem rund achteinhalb Meter hohen Seedeich ist. Die Situation ist eine ganz andere als an den niedrigeren Deichen im Binnenland. Von der Straße, wo ein Trecker mit Frontlader Paletten mit gefüllten Sandsäcken abgestellt hat bis hoch zur Schadstelle kamen allein 30 Feuerwehrleute zum Einsatz. Hinzu kamen mehrere Deichrichter, die die Feuerwehrleute anleiteten und Helfer des THWs, die Sandsäcke mit Lastwagen heranfuhren und für ausreichend Licht sorgten. Auch der Verbrauch an Sandsäcken summierte sich schnell auf mehrere hundert. So kamen nur für diese eine kleine Sickerstelle über 70 Helfer zum Einsatz. Nach einer Stunde Übung waren diese komplett nass und verschmutzt. Der Sand in den bevorrateten Säcken war durch die Lagerung staubtrocken und rieselte durch die Säcke. Im Wind wehte der Pudersand dann umher. Die Einsatzkräfte spaßten dabei und unkten, dass sie nun aussehen „wie panierte Schnitzel“. Die körperliche Arbeit auf dem schrägen und schmierigen Kleiuntergrund zerrte ebenfalls merklich an den Kräften.
Der erforderliche Personaleinsatz war dann auch Thema in einer kurzen Nachbesprechung. Stadtbrandmeister Thomas Kettler machte deutlich, dass bei derartigen Ereignissen die regionalen Kräfte schnell erschöpft und ausgekühlt sind und auch nicht ausreichen werden. Schnell müsste daher über den Landkreis Aurich und das Land Niedersachsen Hilfe aus weiter Entfernung angefordert werden. Dann würden Kreisfeuerwehrbereitschaften (quasi Feuerwehrhundertschaften) sowie THW-Facheinheiten mit entsprechenden Fähigkeiten anrücken. Aus diesem Grund nahmen auch Führungskräfte der Kreisfeuerwehrbereitschaft Aurich-Nord als Beobachter zum Erfahrungsaustausch an der Übung teil.
Nach rund zwei Stunden Übung rückten alle Beteiligten nass und schmutzig, aber dennoch zufrieden ab. Noch in der Nacht und am nächsten Vormittag liefen bei der Feuerwehr Waschmaschine und Trockner, um die Einsatzkleidung wieder zu reinigen. Trotz der negativen Begleitumstände brachte die Übung sehr viele positive Erkenntnisse mit sich, welche man nur unter echten Bedingungen, und dazu zählt auch schlechtes Wetter, erlangen kann. Die gemachten Erfahrungen fließen nun in die fortlaufende Verbesserung des Küstenschutzes ein.